Ich habe mir zum ersten Mal in meinem Leben ein Fahrrad gekauft. Seit meinem allerersten Fahrrad hatte ich nur noch gebrauchte. Und seit Jahren liebäugelte ich nun mit einem Hollandrad. Weil ich das aufrechte Sitzen mag, und die gemütlichen Sättel. Und weil ich oft mit viel Gepäck fahre. Markteinkauf, Sportzeugs, Riesenhandtasche…. das muss ja alles mit. So ein stabiles Hollandrad schien mir da gut. Allerdings sind die sehr schwer und alle Leute schlugen den Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie davon hörten. So schob ich den Gedanken in meinem Kopf wieder und wieder von rechts nach links und kämpfte derweil mit meinem Second-Hand-City-Rad in falscher Größe. Unlustig ließ ich mich zu modernen Cityrädern beraten, fuhr sie Probe und war nicht recht begeistert dafür soviel Geld auf den Tisch zu legen. Da kam der Liebste auf die Idee: „Guck doch mal auf der Gazelle-Website, die haben auch moderne Räder“. Und so war’s. Es gibt dort normale Cityräder, echte Hollandräder und eben auch welche, die aussehen wie Hollandräder aber leichter sind, weil aus Alu. Schnell den nächsten Händler rausgesucht, hingefahren und mich verliebt. In Miss Grace. Ein Holland-Lastenrad mit modernem Innenleben, einem mega bequemen Sattel und einem großen großen Korb. Nach der Probefahrt war es um mich geschehen. Eine neue Liebe in mintgrün, sofort mit dem Kosenamen „Das Gazellchen“ versehen. Und gekauft. Nur für mich.
Nun fahre ich das Gazellchen also seit einigen Wochen und bin rundum zufrieden. Seit ich es habe fahre ich freiwillig zu einem weiter entfernten Bahnhof, weil ich so gern mit ihm unterwegs bin. Es fährt sich wirklich angenehm. Und auch schnell. Natürlich braucht es eine gewisse Grundeinstelllungs-Änderung beim fahren mit einem derartigen Fahrrad. Man ist zwar de facto genauso schnell wie die meisten Leute auf ihren Cityrädern, aber man sitzt halt dabei mehr wie im Sessel und weniger wie auf dem Sattel. Das heißt man darf auch nicht versuchen, sich einen Berg hochzuquälen, man muss ihn einfach gemütlich hochgleiten. Und oben angekommen stellt man fest, dass man zwei Citybikes hinter sich gelassen hat. Es stimmt, das Gazellchen ist dennoch kein Federgewicht, wenn Aufzug und Rolltreppe im Bahnhof kaputt sind, fluche ich schon. War aber auch mit dem alten Rad kein Spaß. Dafür ist das Rad ansonsten für mich ziemlich perfekt und passt sehr gut zu mir. Es ist praktisch die Fahrradinkarnation des perfekten Kleides, dessen Schnitt ich noch suche.
Es hat einen Lastengepäckträger und einen Riesenkorb, in dem bequem mein Pröll oder der Markteinkauf oder ein großes Paket Platz findet. Das wären beim perfekten Kleid die Taschen.
Es ist robust, fährt nonchalant über die zwei Millionen Schlaglöcher der osteuropäische anmutenden Pottstraßen und steht auch im Zug und schwer beladen sicher und kippelt nicht. Das wären beim Kleid Bewegungsfreiheit, ein Stoff der nicht knittert und gut wärmt.
Und dabei sieht es schick aus, individuell und ein bisschen mädchenmäßig aber alles in allem schick. Und das sollte das perfekte Kleid natürlich auch. Weiblich und schick aussehen.
Ich werde im Zug sehr oft neidisch bis verwundert auf das Gazellchen angesprochen. Vor kurzem sagte ein Mann sehr ernsthaft: „Ihr Fahrrad passt aber wirklich gut zu ihrem Kleid“ – was will man mehr?